Jos. Vikt. v. Scheffel (T), St. Gruwe (M), 1861, BF Flott, BP
1.
Das war der Zwerg Perkêo im Heidelberger Schloss, an Wuchse klein und winzig, an Durste riesengross. Man schalt ihn einen Narren, er dachte: ‹Liebe Leut’, wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheut.›
2.
Und als das Fass, das grosse, mit Wein bestellet war, da war sein künftiger Standpunkt dem Zwergen völlig klar, ‹Fahr wohl›, sprach er, ‹o Welt, du Katzenjammertal, was sie auf dir hantieren, ist wurst mir und egal!›
3.
‹Um lederne Ideen rauft man manch heissen Kampf, es ist im Grunde doch alles nur Nebel, Rauch und Dampf. Die Wahrheit liegt im Weine. Beim Weinschlurf sonder End’ erklär’ ich alter Narr fortan mich permanent.›
4.
Perkêo stieg zum Keller; er kam nicht mehr herfür und sog bei fünfzehn Jahren am rheinischen Malvasier. War’s drunten auch stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht, und wankten auch die Beine, er trank und murrte nicht.
5.
Als er zum Fass gestiegen, stand’s wohlgefüllt und schwer, doch als er kam zu sterben, klang’s ausgesaugt und leer. Da sprach er fromm: ‹Nun preiset, ihr Leut’, des Herren Macht, die in mir schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht!›
6.
‹Wie es dem kleinen David gegen Goliath einst gelang, also ich arm Gezwerge den Riesen Durst bezwang. Nun singt ein De profundis, dass das Gewölb’ erdröhnt, das Fass steht auf der Neige, ich falle sieggekrönt.›
7.
Perkêo ward begraben. Um seine Kellergruft beim leeren Riesenfasse
weht heut’ noch feuchte Luft, und wer als frommer Pilger frühmorgens ihr genaht: weh ihm! als Weinvertilger durchtobt er nachts die Stadt.